Berechtigte Kritik an Baumbestattung, Friedwald, Bestattungswald.

Bestattungswald

Viele Menschen möchten Veränderung. Traditionen verbinden sie mit Stillstand, und Neuerungen werden begeistert begrüßt. Das ist nicht nur in den Bereichen der Wissenschaften und Technik, sondern auch in den Fragen des Lebens und der Kultur der Fall. Und so unterlag auch die Form der Bestattung des Menschen in den Jahrtausenden immer wieder Veränderungen. Deshalb ist es heute nicht verwunderlich, wenn stets nach anderen Formen der Bestattung gesucht wird. Noch relativ neu ist die Idee der sogenannten Baumbestattung.

Die Baumbestattung wurde mit dem Begriff "Friedwald" (Friedwald® ist eine geschütze Wortmarke) zu Beginn des 21. Jahrhunderts bekannt. Dabei handelt es sich um die Beisetzung von Urnen in Forstanlagen. Den begriff Forstanlagen benutze ich absichtlich, denn es handelt sich dabei niemals um unberührte Natur, sondern immer um von Menschenhand angelegte Pflanzungen. Und somit ist auch der Gedanke an eine Bestattung in natürlicher Umgebung meiner Meinung nach ein Irrtum.

Ich lehne neue Konzepte nicht prinzipiell ab und bin neuen Bestattungsformen durchaus aufgeschlossen, nur bin ich der Meinung, man sollte den Menschen nicht etwas verkaufen, was es in Wahrheit nicht ist. Meiner Ansicht nach ist das Täuschung des Verbrauchers, sprich der Angehörigen. Doch wenn die Fakten benannt werden, geht ein ganzes Stück der romantischen Vorstellungen verloren.

Zudem wird bei manchen Konzepten nicht ausreichend in die Zukunft gedacht. In diesem Zusammenhang sei an das damals neue, romantisch verklärte Friedhofskonzept der 1920er Jahre erinnert, das als Waldfriedhof in Mode kam. Dabei handelt es sich um Anlagen, die auf einer Lichtung mitten in einem Wald entstanden und, von eine Einfriedung umgeben, als Friedhof fungierten. Was dabei nicht bedacht oder zumindest nicht ausreichend erst genommen wurde, war, dass zusätzlich zur Pflege und Unterhaltung des Friedhofs eine nicht unbeträchtliche Fläche an Baumbestand gepflegt werden muss.

Wald2) So sieht ein natürlich gewachsener und weitestgehend auch so belassener Wald aus.

Heute hat man in Verbindung mit den Waldfriedhöfen riesige Flächen zu bewirtschaften und einen schier unübersehbaren Baumbestand zu pflegen, was Kommunen oder Kirchgemeinden meist finanziell überfordert. Fakt ist, dass eine Anlage, wie sie auch immer genannt wird, als öffentlicher Raum gepflegt werden muss. Je größer dieses Areal ist, um so höher sind die Kosten, die am Ende irgend jemand zahlen muss. Wenn es der Einzelne nicht ist, dann wird es der Steuerzahler sein. Schon aus diesem Grund stehe ich der Friedwald-Idee kritisch gegenüber. Und damit Interessenten sich nicht von Worten irreführe lassen, lege ich meine Argumentation hier einmal stichpunktartig dar:

Begriffe, die falsche Assoziationen hervorrufen, und meine Alternativen dazu

Fried-Wald

Bereits die Anlehnung an den Begriff Friedhof ist falsch, da als "Fried-Hof" ein umfriedeter Hof bezeichnet wird. Ein Fried-Wald ist demnach ein eingefriedeter Wald und hat nichts mit "Ruhe in Frieden" zu tun. Und selbst der Begriff Wald ist, wie oben bereits erwähnt, irreführend, denn in Deutschland sind die Wälder genau genommen Forste, also vom Menschen aufgepflanzte Baumplantagen. Lediglich manche Naturschutzgebiete weisen noch natürlichen Wald auf.

Baumbestattung

Auch der Begriff Bestattung führt in die Irre. Da der Verstorbene eingeäschert, das heißt verbrannt werden muss, weil nur eine Urne im Friedwald genehmigt wird, wurde der Mensch bereits bestattet und zwar bei der Einäscherung, weshalb diese auch Feuerbestattung [1] heißt. Lediglich die Beisetzung der Urne findet dann im Wurzelbereich eines Baumes statt, oder es wird anschließend ein junger Baum über dem Grab gepflanzt. Dieser Vorgang wird fälschlicherweise als Baumbestattung bezeichnet. Aber in der Urne werden lediglich die Reste der zu Kalk verbrannten Knochen beigesetzt. Noch in tausend Jahren werden diese Überreste unverändert im Boden zu finden sein, wie das Bild 3) deutlich dokumentiert, auch dann, wenn die Stelle vormals mit einem Baum überpflanzt wurde.

Leichenbrand aus der Bronzezeit3) Diese 2400 Jahre alten Knochen wurden bei Ausgrabungen geborgen. Sie befinden sich in dem Zustand, in dem sie in vorgeschichtlicher Zeit beigesetzt wurden. Die Knochen sind zu Kalk verbrannt, der in dieser Form kaum noch wasserlöslich ist. Auch durch Bäume findet keine weitere Auflösunder der sterblichen Überreste statt.

Der Begriff Ruheforst, der wohl auch schon teilweise in Gebrauch ist, trifft es meiner Meinung nach besser. Auch von einer Waldbeisetzung kann man sprechen.

Bestattungswald

Wenn wir den Begriff der Wortbedeutung nach verstehen, so wäre die Definition "Ein Wald, in dem Menschen bestattet werden". Wie aber bereits erklärt, ist die Beisetzung einer Urne keine Bestattung, sondern eben eine Beisetzung. Und somit hat das Wort Bestattungswald eine irreführende Bedeutung. Nun mag mancher sich über meine "Wortklauberei" ärgern und sagen."Egal welchen Namen das Konzept trägt, ich will einfach nur in der freien Natur bestattet werden." Aber genau genommen sind all diese Projekte auch nur Friedhöfe ohne Grabsteine oder genauer formuliert, Friedhöfe ohne erkennbare Grabstätten. Das ist aber alles nicht neu, denn auch Wiesengräber wurden schon einmal erfunden und mit ihnen auch Kreationen wie "Friedhain", "Ruheberg" oder "Ruhepark".

So eröffnete am 16. September 2007 auf dem Berliner Waldfriedhof in Zehlendorf ein sogenannter Humanistischer Bestattungshain [2]. Dabei handelt es sich um einen Rasen, mit Birken bepflanzt, auf dem "naturbelassene" Urnengräbern angelegt werden können. Man berichtete damals freudig, dass mit dieser "Naturgrabstätte auf einem bisher unberührten Grabfeld neue Akzente in der Bestattungskultur Berlins und darüber hinaus" geschaffen würden. Doch das mit der Naturbelassenheit ist so eine Sache. Rasenflächen sind keine Natur, den da rattert regelmäßig der Aufsitzrasenmähe drüber. Rasen- und selbst Wiesenflächen sind in unseren Breiten keine Naturräume sondern Kulturland. Und auch der Hain, als mystischer Ort der alten Griechen, ist nichts Natürliches. Hainartige Landschaften bilden sich nur durch die beständige Beweidung (Waldweide) mit Viehherden. Reine Natur wäre in Mitteleuropa der dunkle, undurchdringliche Wald oder die Sumpflandschaft.

Naturbestattung – was ist das?

Unüberlegt ist auch das Wort Naturbestattung, welches im Zusammenhang mit Fried-Wald sehr oft genannt wird. Der nicht weiter definierte Begriff ist irreführend, weil das Bestatten eines Toten nichts Natürliches ist und nur innerhalb der menschlichen Gesellschaft praktiziert wird. Im Tierreich beispielsweise ist das Bestatten von Artgenossen noch nirgends beobachtet worden. Eine naturnahe Form der Bestattung wäre am ehesten noch die Erdbestattung – keinesfalls die Feuerbestattung mit anschließender Aschenbeisetzung im Wald. Natur ist Natur und Bestattung ist Bestattung – ein Menschenwerk.
Die natürlichste, im wahrsten Sinne des Wortes, Art der Bestattung findet man im alten Iran. In den Gebirgen des alten Perserreiches gab es eine für uns merkwürdig anmutende Bestattungsart. Dabei wurden die Toten von den Anhängern der Religion des Mazdaismus in sogenannte Türme des Schweigens (Dakhmas) gebracht, bei denen es sich um runde, nach oben hin offene, ummauerte, turmartige Plätze handelt. Im Bild 4) ist ein solcher Platz zu sehen. An diesen Ort wurden die völlig nackten Leichen gebracht und abgelegt. Danach wurden sie aasfressenden Vögeln und ähnlich tätigen Kleinstlebewesen überlassen. Und die Totenstätte galt als verfluchter Ort.

Turm des Schweigens, Persien4) Naturbestattung im alten Iran

Nach der alten Religion der Iraner durften die Leichname nicht mit den reinen Elementen Feuer, Erde oder Wasser in Berührung kommen. Die trichterartigen Plattformen der Türme haben auf der Oberfläche flache Vertiefungen, in welche die Leichen von dazu bestimmten Kultdienern gelegt wurden. Dabei wurde ein Schema von konzentrischen Kreisen gebildet, in die die Kinder innen, die Weiber in der Mitte und die Männer außen abgelegt wurden. Für die zurückgebliebenen Gebeine gab es einen Schacht im Boden.

Diese Türme waren in jener alten Kultur für die Ausgrenzung der Toten bestimmt. Man dachte, dass an diesen Orten teuflische Geister (Deavas) ihr Unwesen treiben. Deshalb grenzte man die Verstorbenen aus der Kultur-Welt aus und überließ sie dem Walten der Natur.

Der Friedhof als Schutzraum für die Toten

Haben wir im vorangegangenen Beispiel gelesen, dass die Toten ausgegrenzt und ungeschützt der Natur ausliefert wurden, so sind sie in unserem Kulturraum mitten im Alltagsleben präsent (Kirchhöfe), und sie werden auch nicht schutzlos dem Walten der Natur (und bösen Geistern) ausgeliefert. Friedhöfe sind aus diesem Grund mit hohen Mauern umgeben, um Tiere und Unruhe fernzuhalten. Dornenhecken und bestimmte Bäume (Weißdorn) sollten nach altem Volksglauben tatsächlich auch böse Geister von den Gräbern fernhalten.

Geben wir nun unsere Toten in den freien Wald ohne schützende Einfriedung, dann ist das ein einschneidender Bruch mit unserer althergebrachten Tradition. Das mag vordergründig nicht schlimm sein – bleibt nur die Frage, ob dieses innere Gefühl des Beschützenwollens von den Hinterbliebenen so einfach aufgegeben werden kann. Die Zeit wird es zeigen. Aber jeder von uns sollte bedenken, dass die Trauerbewältigung ein langwieriger Prozess ist und, trotz allen modernen Denkens, von tiefwurzelnden Gefühlen und Empfindungen beeinflusst wird.

Klassischer Friedhof5) Der klassischer Friedhof, ein zuendegedachtes Konzept.

Kein idyllischer Wald fern von menschlicher Ordnung

Der Wald als Bestattungsort wird immer gern als idyllischer und romantischer Ort dargestellt. Sollte er das tatsächlich bleiben, müsste in der Folge den Hinterbliebenen durch drastische Satzungen untersagt werden, den Friedwald aufzusuchen, um Kränze niederzulegen, Blumen zu pflanzen, Grablichter aufzustellen. Und auch wenn das alles durch harte Hausgesetze verboten wird (und das ist tatsächlich der Fall), werden die Hinterbliebenen es doch tun. Ganz einfach, weil es ein Bedürfnis des Menschen ist, auf diese Weise den Toten zu ehren und seiner zu gedenken. Das führt dann zu ganz profanen Problemen im Waldgelände, denn allein schon das vorhandene Wegesystem ist nicht für die entsprechenden Entsorgungsarbeiten geeignet. Das sind, im Vorfeld häufig nicht kalkulierte, Kosten in den Folgejahren. Und auch anfallende Baumpflegemaßnahmen, die notwendig sind, um die Verkehrssicherheit (öffentliches Gelände) zu gewährleisten, werden anfangs häufig unterschätzt. Das alles sind Kosten, die rasch ins Unermessliche steigen können.

Beispiele älterer Wälder für Aschebeisetzungen in Deutschland:

Wer sich selber ein Bild machen möchte, wie sich ein Wald, in dem Beisetzungen vorgenommen werden, entwickelt, und wie er nach einigen Jahren Nutzung aussieht, der sollte sich auf schon länger bestehenden Anlagen umschauen. Und auch wer sich mit dem Gedanken trägt (städtische Gemeinde, Kirchengemeinde), einen Bestattungswald anzubieten, dem rate ich, eine solche Einrichtung zu besuchen und sich ausführlich zu informieren. Zu den ersten Bestattungswäldern zählen:

  • Reinhardswald bei Kassel
  • Odenwald bei Michelstadt
  • Friedwald Hümmel in der Eifel
  • Friedwald Bramsche im Teutoburger Wald
  • Dresdner Heidefriedhof, Baumgrabanlage

Trauerbewältigung

Im Grunde genommen haben wir es bei der Baumbestattung mit einer reinen Feuerbestattung zu tun, denn mit der Einäscherung im Krematorium ist die Bestattung bereits völlig abgeschlossen. Ob die Aschereste dann die nächsten 1000 Jahre auf einem Friedhof liegen oder anderswo, das ist mehr eine kulturelle Frage und eine Frage der Trauerbewältigung.

moderne Kremierung6) Das ist der Auftakt einer Waldbestattung, maschinelle Einäscherung. Die groben Knochenreste gehen durch ein Mahlwerk in die Urne.

Ob eher die traditionellen Friedhöfe oder all die Alternativen diese Funktion erfüllen können, das wird sich zeigen. Zu bedenken ist aber in jedem Fall, dass der Wunsch desjenigen, der sich einmal in einem Wald beisetzen lassen will, nur die eine Seite ist. Die andere Seite betrifft die Wünsche der Angehörigen und Freunde und das Verhalten der bestattungspflichtigen Personen. Beide Seiten sollten darüber nachdenken und die Trauerbewältigung nach dem Tod eines geleibten Menschen in den Fokus rücken.

Fazit

Friedhöfe sind seit Jahrhunderten in unserm Kulturkreis in die menschliche Alltags-Gesellschaft integriert (Kirchhof). Der Tote wird nicht allein gelassen (vormals in der dem Menschen feindlichen Natur), und ein Friedhof (eingefriedeter Hof) gilt als Schutzraum für die Toten. Das Mitglied der Gesellschaft weiß: "Im Tode bleibe ich nicht nur im Herzen meiner Angehörigen, sondern auch in ihrer Nähe" Und diese Nähe ist verständlicherweise auch dem Wollen der Hinterbliebenen geschuldet. Wenn heute kaum noch derartige, menschliche Bindungen mehr bestehen (ist das wirklich so?), oder wenn der Weg zum Friedhof zu lang und die Grabpflege zu aufwendig ist, muss dann gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und der letzte Ruheplatz des Menschen, das Grab, eliminiert werden? Ist der alte schlichte Efeuhügel keine Alternative mehr? Auch einen Grabstein schreibt keine Friedhofssatzung vor.

Eines ist jedoch klar: Damit kann kein Gewinn erzielt werden. Im 20. Jahrhundert verhinderte die Gartenbau- und Steinmetz-Industrie mit ihrer Geschäftemacherei, dass das schlichte Grab der Regelfall blieb; und so hat nun im 21. Jahrhundert die Ideologie des Neoliberalismus aus alten Werten einen neuen Wert – einen Geldwert geschaffen. Wie überall sind es keine öffentlichen Körperschaften mehr, welche die Fundamente der Gesellschaft gründen, sondern der Treibsand firmenrechtlicher Konstrukte – und die Kirchen mittendrin [3]. Letztere bemerken in ihrer Naivität nicht, dass sie mit ihren Teilhabeversuchen die Geschäftsideen der Baumbestattungs-Unternehmen mit ihren eigenen spärlichen Fundamentsteinen untermauern und dabei immer mehr an Substanz verlieren. Das ist aber ein generelles zeitgeschichtliches Problem.


[1] Feuerbestattung. Der Gedanke der Feuerbestattung hatte sehr oft hygienische Beweggründe (z.B. in der Antike), doch auch die Transformation des Körpers im Feuer hin zum Geistigen spielte (z.B. in vielen religiösen Vorstellungen) immer eine Rolle. So beispielsweise auch in den mehr romantischen Gedanken unserer Vorfahren, welche um 1900 die Feuerbestattung wiederentdeckten.
[2] https://hpd.de/node/2759(2007) Veröffentlichung des Humanistischen Verbandes Berlin (HVD)
[3] Kein Einzelbeispiel: Am 20. Mai 2007 weihte der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich den ersten kirchlichen Friedwald in Deutschland ein. "Unter 300 Bäumen auf dem Schwanberg in Unterfranken können künftig kompostierbare Urnen beigesetzt werden." Nach den Worten des Bischofs soll das Bestattungs-Konzept Christen und Nicht-Christen erreichen, die keinen herkömmlichen Friedhof als Bestattungsort wählen wollen. Viele Menschen hätten den Wunsch nach einer naturnahen Bestattung und lehnten die festen Auflagen der Friedhöfe bei der Grabgestaltung ab. [TJ.6.20]