Mit dem Zeitalter der Empfindsamkeit wird eine Kulturepoche bezeichnet, welche in der letzten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem durch die Literatur geprägt wurde. Manche Historiker nennen die Zeitspanne von 1740 bis 1790, doch so klare Grenzen gibt es wohl nicht. In Frankreich wird diese Kunstentwicklung bereits um 1720 verzeichnet. Dieser Zeitgeist, der sich in sentimental-romantischen Naturgefühlen erging und im religiösen Leben als Pietismus ausprägte, bildete ein gewisse Parallele zur Epoche der Aufklärung und des Rationalismus. Sie standen sich aber nicht konträr gegenüber.
Um diese Zeit genauer zu verstehen und was mit "Empfindsamkeit" gemeint ist, lesen wir besser die alte Definition des Wortes, welche heute so nicht mehr verstanden wird. Der Begriff Sentimentalität kommt dem Wortsinn näher, doch im ursprünglichen Sinne ist die Empfindsamkeit eine starke Erregbarkeit durch Empfindungen von rührender Art, besonders wenn man diese geflissentlich sucht, sie gern zeigt und in ihnen schwelgt.
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Man verbindet die Epoche der Empfindsamkeit zwar mit der Zeit der Aufklärung, doch kann man sie genausogut als Ausklang des barocken Zeitalters sehen. Überschwängliche Gefühle galten damals durchaus als menschlich und mußten nicht mehr hinter der Etikette verborgen werden. Man sagt, dass das sentimentale Zeitalter eine Parallelwelt der Bürger zum Absolutismus darstellt, doch ist der Begriff der Transformation einer vom Adel geprägten Gesellschaft angebrachter.
Den Höhepunkt dieser "empfindsamen Dichtung" stellt Klopstocks Werk "Der Messias" dar. Goethes "Die Leiden des jungen Werther" (1774), gilt von der Empfindsamkeit beeinflusst, und als Nachhall der Kunstepoche kann man Hölderlins "Hälfte des Lebens" (1804) bewerten. Als eingefleischte literarische Vertreter der Empfindsamkeit gelten:
- Samuel Richardson (1689 – 1761)
- Laurence Sterne (1713 – 1768)
- Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769)
- Sophie von La Roche (1730 – 1807)
- Matthias Claudius (1740 – 1815)
- Friedrich Gottlieb Klopstock (1724 – 1803)
- Ludwig Heinrich Hölty (1748 – 1776)
- Johann Heinrich Voß (1751 – 1826)
Sentimentale Gartenkunst
Dicht- und Gartenkunst waren damals eng miteinander verwoben, und so protegierte der damalige Zeitgeist neue romantische Gartenformen (Landschaftsgärten), die in Anfängen durchaus schon in den Barockgärten (Bosket) zu finden waren, bald aber in einen neuen Stil, dem englischen, neu geformt wurden. Ein wunderschönes Beispiel einer Parkgestaltung im sentimentalen Stil stellt der Schlossgarten in Machern (bei Leipzig) dar. Dort sind in überschaubarer Größe (Rundgang ist in zwei bis drei Stunden zu schaffen) malerische Gartenmotive zu finden, welche sentimentale Stimmungen erzeugen können, vorausgesetzt, man hat eine minimale literarische Vorbildung. In Machern findet man sogar noch weitgehend die alten Motive eines mystischen Einweihungsweges, den der Wanderer im Park absolvieren kann, um das Erleben in der Tiefe zu steigern. Bemerkenswert in diesen Landschaftsgärten ist aber auch, dass sowohl sentimentale Zeitgenossen wie auch Aufklärer und Rationalisten den neuen Gartenstil für sich beanspruchen, ohne Widersprüche zu verursachen.
Wer in Sachsen unterwegs ist, dem sei ein Ausflug ins Seifersdorfer Tal bei Dresden empfohlen, einem der ältesten Landschaftsgärten Deutschlands. Diese naturromantische Anlage, die ebenfalls in zwei oder drei Stunden durchwandert werden kann, wurde nach Ideen der Gräfin von Brühl (auch Tina genannt, 1756 - 1816) angelegt. Dieser Naturpark wird zwar der Frühromantik zugeordnet, zeigt aber deutlich den nahtlosen Übergang von Empfindsamkeit zur Romantik im Stil der Gartenkunst.
Literatur & Quellen:
- [1] Brockhaus' Konversations-Lexikon, 14. Auflage, Fünfter Band, Seite 1022; Leipzig 1908
- http://www.literaturwelt.com/epochen/empfind.html