Der deutsche Garten ist ein erweiterter Wohnraum im Grünen zum Bewohnen und zum Betrachten. Architektur (Menschenwerk) gezielt als Kontrast zur Natur gesetzt ist Thema des deutschen Gartenstils. Das Bild 1) zeigt mit üppigem Grün und der solide gemauerten Terrasse deutlich dieses Prinzip, welches sich durch die Jahrhunderte bis heute erhalten hat. Nützlichkeit der Gartenanlage und malerische Ansichten sollten sich nicht ausschließen, und damit kann sie zu einem Ort der Ruhe und Besinnung sowie geselligen Beisammensein werden.
Kloster- und Renaissancegarten
Die Urform des deutsch geprägten und durch Gestaltungsgedanken gekennzeichneten Gartenstil ist der von Mauern umschlossene, mittelalterliche Klostergarten mit dem ihn umgebenden Säulengang. Er ist gekennzeichnet durch zentral angelegte Wege und Beete mit klarer, menschlicher Ordnung. Und dessen Schönheit ist immer einem Zweck untergeordnet - sei es der Anbau von Heilkräutern oder üppige Blumenpflanzungen. Der Adel übernahm für seine privaten Gärten diese gestalterische Grundordnung und formte sie für seinen Hauptzweck: die Zerstreuung und Repräsentation. Ein Gestaltungselement daraus, welches sich in den deutschen Anlagen über Jahrhunderte stets erhalten konnte, ist der umlaufende Säulengang. Später wurde daraus der umlaufende Weg überwachsen mit einem Laubengang bzw. in einfacher Form mit der integrierten Laube in der äußersten Ecke der Anlage. Die Gärten der Renaissance entwickelten sich aus all diesen Ideen. Es sind umschlossene Grünanlagen und gleichsam Mikrokosmen mit straffer geometrischen Gliederung. Erst in der Zeit des Barock änderte sich diese Konzeption.
Bauerngarten
Auch die Bauern übernahmen den Grundgedanken des Klostergartens und entwickelten daraus eine ganz eigene Urform - den sogenannten Bauerngarten. Architektonisch einfacher und insgesamt schlichter behält er doch ein grundlegendes Prinzip bei, und das sind durch Buchsbaumhecken klar abgegrenzte Beete und geradlinige Wege in einer einheitlichen Struktur. Typisch dafür ist beispielsweise die Aufteilung in vier bepflanzte Rabatten, die zwischen den aufeinander zulaufenden Wegen liegen, und ein ebenfalls üppig mit Blumen bewachsenes Rondell in der Mitte.
Barock
Der (französische) barocke Gartenstil ist weniger einer einzelnen Nation zuzuordnen, sondern europäisch zu nennen. Wenn diese Gärten auch eine strenge geometrische Gliederung besitzen, begann sich doch hier der Gedanke, die geschaffene Grünanlage mit der Landschaft zu verbinden, zu entwickeln. Die Wohngebäude (Schlösser) wurden so errichtet, dass sie sich durch die gezielte Planung von weitläufigen Sichtachsen in der anschließenden Parkanlage, welche wiederum in die freie Natur überging, öffneten.
Der Park wiederum diente als Wohnraumerweiterung im Freien, besonders als eine Art Theaterbühne für Feste und Zusammenkünfte des Adels.
Gestaltete Landschaft – das 18. und 19. Jahrhundert – der malerische Gartenstil
Das Gedankengut der Romantik und dessen Verbindung mit fortschrittlichen, einflussreichen Geistern im damaligen Preußen gipfelte in der Idee von der "gestalteten Kulturlandschaft", das heißt die Gestaltung der Landschaft über Gärten und Parkanlagen hinaus. Zwei Namen prägten diese Zeit besonders:
- Peter Joseph Lenné (1789–1866) – Gartenkünstler und oberster Gartendirektor der königlich-preußischen Gärten
- Hermann Fürst von Pückler Muskau (1785–1871) – Abenteurer, Weltenbummler und Reiseschriftsteller; wurde durch seine künstlerisch gestalteten Gärten bekannt
Vorbild im Gestaltungsstil waren englische Landschaftsgärten, bei denen das Malerische besondere Betonung fand. "Ein Garten im großen Stile ist eine Bildergalerie." Dabei wurde die Bildkompositionen so gewählt, dass der "Phantasie immer noch etwas zu raten übrigbleibt" (Fürst Pückler). Doch man fand auch bald wieder zu den alten Formen zurück. Selbst Goethe war gegen Ende seines Lebens sehr von seiner Begeisterung für die englischen Gärten abgekommen. Bei einer Spazierfahrt nach Belvedere lobte er vor dem Kanzler Friedrich von Müller die französischen Gartenformen, wenigstens für große Schlösser: "Die geräumigen Laubdächer, Berceaux, Quinconcens lassen doch eine zahlreiche Gesellschaft sich anständig entwickeln und vereinen, während man in unseren englischen Anlagen, welche ich naturspäßig nennen möchte, allerwärts aneinander stößt, sich hemmt und verliert"
. [1] Es liegt in diesen Worten fast eine Gereiztheit Goethes gegen seine frühere Begeisterung, gegen den Geist sentimentaler Schwärmerei, der ihr zugrunde lag.
Prägend für die Entwicklung der Gartenkunst im 19. und 20. Jahrhundert war der Königlich-Preußische Hofgärtner und Stadtdirektor Berlins J. H. Gustav Meyer (1816-1877) mit seinem Standartwerk "Lehrbuch der schönen Gartenkunst." (siehe unten). In den folgenden Jahrzehnten finden wir ein mehr oder weniger friedliches Nebeneinander beider Formen in der Ausführung des formalen, architektonischen Gartens. Dieses findet sich vor allem nahe am Haus oder da, wo räumliche Enge herrscht. Der Landschaftsgarten hingegen kann dort angelegt werden, wo ein Gebäude sich frei in der Landschaft befindet und wo genügend Freiraum herrscht. Einen der ältesten Landschaftsgärten beherbergt das Seifersdorfer Tal bei Dresden.
Das 20. Jahrhundert
Der Landschaftsgarten einer Berliner Villa im "deutschen Stil" um 1900 ist im Bild 4) zu sehen. Eine bogenförmige Vorfahrt erschließt das Gelände für Fahrzeuge bis direkt an das Haus heran. Ein umlaufender Weg unter schattigen Bäumen lässt weitläufige Blicke zu und führt links oben zu einer Laube (Teehaus) mit weitem Ausblick, zugleich aber so, dass das Wohngebäude fast völlig vom Grün verdeckt wird.
Der Villengarten ist großzügig angelegt, und je weiter man vom Haus weg in den Park hineingeht, um so naturnaher ist die Anlage gestaltet. Nahe am Haus wurde hingegen sehr formal gestaltet. Oben rechts in der Anordnung befindet sich ein Tennisplatz mit strengem Rahmen, daneben liegt die Gärtnerei. Die Villa selbst umgibt eine kleine, ein wenig verspielte, barocke Gartenanlage (Plan nach Willy Lange 1909). Im meinem Beitrag Landhaus und Raumgliederung kann noch ausführlicher nachgelesen werden, welche Beziehung zwischen Haus und Außenanlage besteht, die an die Erfahrungen der gleichen Zeit anknüpft und ebenfalls als typisch deutsch (Architektur) bezeichnet werden kann.
Jugendstil
Um die Jahrhundertwende (1900), zur ausgehenden Zeitepoche der industrielle Revolution kulminierte in Europa noch einmal das Kunsthandwerk als Produkt einer geschmacksbildenden Elite und behauptete sich in einer letzten Kraftanstrengung gegen die neue Welt der Maschinen und damit gegen das Massenprodukt. Neue Formen, der Natur entnommen, prägten die Architektur und die Gegenstände des Alltags. Man wollte Kunst und Leben in Einklang miteinander bringen, und so war der dekorierende Jugendstil, der "neue Stil", das "Junge" nicht nur Kunst, er war das Lebensgefühl der ganzen Epoche Jahrhunderwende.
In den Gärten allerdings hatte es einen Jugendstil in der Art nicht gegeben, etwa dass kurvenreiche Wege angelegt wurden, ähnlich den geschwungenen Linien in der Architektur. Der Jugendstil-Garten muss von diesem erwähnten Lebensgefühl der damaligen Menschen her gesehen werden und war eher ein Wohn- und Freiraum, in dem man sich häufig mit Freuden traf und Gedanken austauschte. Es gab in Europa eine allgemeine Rückbesinnung auf das kulturelle Erbe des Mittelalters und zahllose kulturelle Anregungen durch die schon damals beginnende Globalisierung, wobei die Kunst und die Philosophie Ostasiens (China, Japan, Java) eine besondere Rolle spielten. Doch kopierten die Künstler nicht einfach fremde Stilrichtungen, sondern man ließ sich inspirieren. Und durch eine Zuwendung zu der zwanglosen Schönheit der Natur und zu der Harmonie der Naturformen bis ins kleinste Detail hinein entwarf man den neuen Lebensstil. In Deutschland entstanden kurz nach der Jahrhundertwende sogenannte Gartenstädte, die die Idee, den neuen autonomen Lebensstil (frei von Mietspekulationen) auch den einfachen Menschen zugänglich zu machen, umsetzen sollten.
Auch in England begann man die Vorzüge des einfachen Landlebens neu zu entdecken. Man besann sich auf die freundlichen und intimen bäuerlichen Cottage-Gärten. Das malerische Element der Gartengestaltung spielte eine vordergründige Rolle, und nicht selten waren Künstler auch selber begeisterte Gärtner, darunter die Malerin Gertrude Jekyll (1843–1932), der Keramikgestalter Auguste Delaherche (1857 - 1940) sowie der Maler Claude Monet (1840–1926). In Deutschland wurde, neben dem bewusst gestalteten Wohngarten am Haus, der Natur- und Landschaftsgarten wieder das angestrebte Ideal. Holten sich die Landschaftsgestalter des 18. Jahrhunderts Anregungen aus dem fernen China und von ihren Italienreisen, so war jetzt der deutsche Wald das Ziel der idealisierten Landschaft. Waldfriedhöfe entstanden zum Beispiel in dieser Zeit, und heute finden wir auf diesen noch recht gute Beispiele einer einheitlichen Planung von Architektur (Kapellen, Tore) und Landschaft.
Prägend für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, bezüglich Gestaltung von Gärten und Wohnanlagen, wurde die Literatur des königlichen Garteninspektors und Lehrers an der königlichen Gärtnerlehranstalt in Dahlem (Berlin) Willy Lange. Dieser legte großen Wert auf exakte Details bei der naturnahen Gestaltung von Garten und Landschaft, und er besaß ein fundamentales Wissen um gestalterische Grundregeln, ein Wissen, was in heutiger Zeit leider meist vergessen oder nicht beachtet wird. Doch Wissen allein ist nicht die Garantie für gute Gartengestaltung. Der Gärtner muss das Wesen eines Ortes erfassen und anschließend dessen innewohnenden Formen zum Leben erwecken. Das ist eines der wohl zu wenig beachteten Anliegen Willy Langes, denn bis in die Gegenwart hinein produzieren (von Ausnahmen abgesehen) zahllose Landschaftsarchitekten nur seelenlose Landschaftsfragmente.
Ausklang der Jugendstilzeit und Neue Sachlichkeit
Diese Postkarte im Bild 6) zur Deutschen Städteausstellung in Dresden 1903 zeigt uns Industriehallen in einer Silhouette, die an die großen chinesischen Kaisergärten erinnert. Zahlreiche Ausstellungen auf dem Gebiet der Technik, Kunst und Kultur sorgten zur Zeit der Jahrhundertwende für Berührungen unterschiedlichster Kulturen. Dresden war, was heute kaum noch bekannt ist, bis in die zwanziger Jahre hinein ein bedeutender Austräger internationaler Gartenbauausstellungen in Deutschland.
Die Begegnung mit der Kunst Ostasiens trug wesentlich zur Überwindung des Historismus bei. In den Niederlanden war es die Gestaltungskunst Indonesiens. Kolonialausstellungen machten die holländischen Künstler mit javanistischem Kunsthandwerk und brahmanischem Gedankengut bekannt. Die Erfahrung zeigt uns die Dinge nicht in ihrem wahren Wesen, sondern nur so, wie sie sich unseren Sinnen darbieten, als Erscheinung also. Somit hatte auch der Jugendstil in Holland seine eigenständige Entwicklung in der "De Stijl" Bewegung genommen. Diese Kunstrichtung geht dem Weimarer Bauhaus voran und versuchte die gesamte Wirklichkeit auf einen funktionellen Formen-Nenner zu bringen. Die Kunst sollte von der "Anarchie des Subjektivismus" befreit werden.
Bereits in der Jugendstilzeit schöpfte man aus den Erscheinungsformen der Natur, welche aber auch Linien und rechte Winkel sein können. Diese Besonderheit fand man in der japanischen Kultur. Diese eignete sich aufs innigste sowohl die malerischen Formen der Natur (Malerei, japanische Gärten), als auch die gerade Linie beispielsweise des Bambus, jenes universellen Baustoffes, an. Die Konstruktion mit Bambus erzwingt den rechten Winkel. Dieser prägte die japanische Architektur und Lebensart und nahm mit der "Philosophie des rechten Winkels" Einfluss auf den europäischen Jugendstil, der sich aus dem fernen Osten seine Anregungen holte. Joseph Hoffmann konzipierte 1904 das Sanatorium in Purkersdorf nach den Prinzipien eines lang gestreckten Rasterbaues mit einem, für die damaligen Zeiten revolutionären, Flachdach und völlig ohne Schnörkel und typische Jugendstildekoration. Hier beginnt bereits der Stil der Moderne, der in Deutschland zunächst im sogenannten Bauhausstil neue, klare Formen aufgreift.
Der Bauhausstil und neue Materialien
Mit dem Einfluss des Bauhausstils (Garten und Architekturen/Zaun usw.) und mit dem Einsatz neuer Materialien wurden die deutschen Gärten klarer in den Linien aber auch puritanischer, das Spielerische wirkte erzwungen. Durch den 2. Weltkrieg war in Deutschland eine weitere Entwicklung der Gartenkultur verhindert. Gestalterisch klare Konzepte, beeinflusst durch Bauhaus und später durch die Moderne, finden wir hingegen in der Schweiz (Schweizer Wohngarten), wo die Fortentwicklung der Gartenarchitektur keine Unterbrechung durch den Krieg erfuhr. Im Deutschland der 1930er, 40er und 50er Jahre wurden natürlich auch die neuen Gartenstile der Schweizer kopiert, wie etwa der Tessiner Stil, dessen Kennzeichnung Natursteinmauern, üppige Staudenpflanzungen und rustikale Pergolen sind.
Dem kamen die zahlreichen Publikationen Karl Foersters entgegen, der mit seiner züchterischen Arbeit unzählbar viele Blütenstauden für unser mitteleuropäisches Klima nutzbar gemacht hat. Die federleicht erscheinenden Blütenstauden wurden zum stilvollen Gegenpart der etwas klotzig wirkenden architektonischen Rahmungen.
Nierentischära, Moderne, zeitgenössische Entwicklungen
Die Gartengestaltung der 1960er, 70er und 80er Jahre war von vielen Unsicherheiten gekennzeichnet. Die Formensprache wurde nicht klar beherrscht, und weil man vorher alles eckig gemacht hat, gestaltete man in der sogenannten Nierentischära mal wieder alles rundlich mit einem Hang zur Asymmetrie. Schon in den 1950ern schwappte dieses Design stromlinienförmiger Modelle aus Amerika herüber. Ansonsten wurde projektiert, angelegt, gepflanzt und von Firmen gebaut, was Geld bringt. Man griff im Zweifelsfalle auch wieder auf den Schweizer Wohngartenstil zurück. Man konnte in Deutschland eine plötzliche Metamorphose der Nutzgärten am Haus hin zu reinen Wohngärten beobachten. In der Schweiz begann das schon vierzig Jahre eher. In Deutschland fanden sich in dieser Zeitepoche gartenkünsterische Besonderheiten eher selten.
21. Jarhundert – New German Style
Seit den 1990er Jahren begann sich die Qualität der Garten- und Landschaftsarchitektur in Deutschland um vieles zu verbessern. Zahlreiche Gartenausstellungen auf Länder- und Bundesebene sowie die rege Bautätigkeit im Lande bewirkten auch, dass Gartenkunst breitenwirksam ein Thema wird. Es entwickelte sich ein New German Style, also ein neuer deutscher Stil, der naturnah, leicht, wohnlich und praktisch ist. Die Namensgebung kam dann von den Briten, die rasch auf diese Gestaltungsweise aufmerksam wurden.
Auch hier ist, wie in der Jugendstilzeit, der Garten in seiner Form und Ausstattung mit Pflanzen auch "nur" wieder mehr der Ausdruck eines leichten Lebensgefühles, welches ich zum Ende der 2010er Jahre leider wieder schwinden sehe. Stetige Veränderung wird heute und in Zukunft den deutschen Garten prägen. Ein Wohnplatz wird er bleiben, nützlich und schön.
Quellen und Hinweise:
- Meyer, J. H. Gustav; Lehrbuch der schönen Gartenkunst. Mit besonderer Rücksicht auf die praktische Ausführung von Gärten und Parkanlagen; Berlin 1873
- Gothen, Marie Luise; Geschichte der Gartenkunst, Teil 1 und 2; Jena 1926
- Lange, Willy; Gartengestaltung der Neuzeit; Leipzig 1927
- Lange, Willy; Gartenbilder; Leipzig 1922
- Lange, Willy; Gartenpläne; Leipzig 1927
- Lange, Willy; Land- und Gartensiedlungsideen; 1901
[1] Gothen, Marie Luise; Geschichte der Gartenkunst, Teil 2; Jena 1926, S. 409; aber auch bei Friedlaender, Ludwig; Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms in der Zeit von Augustus bis Ausgang der Antonine, Zweiter Theil; Leipzig 1889; S. 272. Die Primärquelle ist: Burkhardt, C.A.H.; Goethes Unterhaltungen mit dem Kanzler Müller; Stuttgart 1870; S. 103
Bilder Nr. 5 und 6 aus "Dresdner Hefte 63 Beiträge zur Kulturgeschichte" – "Große Ausstellungen um 1900 und in den zwanziger Jahren".
[TJ.5.16]