Kompostierung – biologische Prozesse im Komposthaufen einfach erklärt

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Grundlage für den Kompost im eigenen Garten bilden Herbstlaub, Rasenschnitt und andere Pflanzenabfälle. Hinzu kommen Abfälle aus der Küche, wie Eierschalen, Tee- und Kaffeesatz, Obst- und Gemüsereste. Wenn der Komposthaufen gut gepflegt wurde (z.B. locker aufgeschichtet), dann erhalten wir nach einer gewissen Zeitspanne schwarze, krümelige Erde. Riecht diese pilzartig und nach frischem Waldboden, wurde alles richtig gemacht. Um das zu erreichen, gibt es in Büchern und im Internet zahlreiche Anleitungen dazu. Eine andere Herangehensweise, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen, ist, die Vorgänge verstehen zu lernen, die bei der Zersetzung von organischem Material vor sich gehen. Sind sie einmal verstanden und verinnerlicht, ist es gar nicht mehr so schwer, aus den Garten- und Küchenabfällen wertvolle Erde herzustellen. Und da erübrigt sich die Frage, ob beispielsweise die Anschaffung eines sogenannten Schnellkomposters sinnvoll ist oder nicht. 

Über die letzten Jahre habe ich eine Sammlung älterer Gartenliteratur zusammengetragen. In dieser fand ich eine so eindrückliche und einfache Erklärung der wichtigsten Vorgänge beim Verrotten in einem Komposthaufen, dass ich diese der Nachwelt erhalten und nachfolgend veröffentlichen möchte, denn sicher ist sie in keiner Bibliothek mehr aufzufinden. Sie stammt aus einem Gärtner-Rundbrief des Obstbaulehrgartens Wurzen (Brief Nr. 9/53). Das fachliche Schreiben datiert auf den 1. September 1953 und ist ein Dokument zum damaligen Wissensstand bezüglich der biologischen Vorgänge im Boden.

Wie wir dem Text entnehmen können, wusste man bereits damals über alle wesentlichen Prozesse der Bodenbiologie bestes Bescheid. Ich habe den Eindruck, dass dieses Allgemeinwissen zwischenzeitlich gänzlich verloren ging und heute erst wieder in Erinnerung gebracht wird. Im besagten Rundbrief werden vorzugsweise die biologischen Vorgänge bei der Kompostierung beschrieben, doch gelten sie für die Entstehung von fruchtbarem Kulturboden ebenso. Sauerstoff liebende Bodenpilze und aerobe Mikroorganismen sind es, welche eine positive Rolle spielen. Aus der Erkenntnis daraus beantwortet sich die Frage, ob verschlossene Schnell-Komposter oder luftige Komposthaufen [1] zweckdienlicher sind. Wer verstanden hat, wie wichtig Sauerstoff bei Bodenprozessen ist, der wird gleichsam eine tief gelockerte, sauerstoffreiche Anbaufläche anstreben. Auch das regelmäßige Versorgen mit Mikroorganismen, sei es durch hochwertigen Kompost oder das Impfen mit Effektiven Mikroorganismen, ist von Vorteil. Doch kommen wir nun zu dem Rundbrief, dessen Autor Dr. Gustav Rohde ist. Er schreibt im Zusammenhang mit Fragen zum Obstbau über die Kompostwirtschaft folgendes (Originaltext) [2]:


Gewünschte biologische Vorgänge bei der Kompostierung

"Die moderne, sorgfältig gesteuerte Kompostbereitung ahmt die Flächenkompostierung der Natur [3] auf fruchtbaren Böden nach. Fast alle organischen Rückstände werden im natürlichen Komposthaufen in Verwesungsvorgängen, d.h. bei reichlicher Sauerstoffzufuhr, stufenweise in fruchtbaren, der Schwarzerde ähnlichen Mutterboden überführt. Es handelt sich dabei in erster Linie um biologische Reaktionen, die von sauerstoff-liebenden Bodenlebewesen, das sind die Baumeister des fruchtbaren Mutterbodens, durchgeführt werden.

Im angefeuchteten und gut durchlüfteten Komposthaufen finden alle erwünschten wertvollen Bodenlebewesen günstige Arbeits- und Lebensbedingungen; er ist geradezu eine Brutstätte für sauerstoff-liebende Schimmelpilze, Strahlenpilze, Hutpilze, Bakterien und Regenwürmer. [...]

Die feucht-lockere Lagerung der organischen Abfälle fördert zuerst eine rasche Entwicklung pilzlicher Lebewesen. Die Schimmelpilze — Allesfresser, deren Sporen überall vorhanden sind — übernehmen ebenso wie in der Flächenkompostierung der Natur die erste Zersetzung der kompostierten Massen. Sie gehören zu den am raschesten wachsenden Organismen und können in wenigen Tagen oder Wochen den Komposthaufen gleichmäßig durchsetzen. Dabei erhöhen die wertvollen Arten der Schimmelpilze (Aspergillen und Penicillen) die Temperatur auf ungefähr sechzig Grad; Unkrautsamen verlieren ihre Keimfähigkeit, krankheitserregende Pilze, Bakterien und Viren werden zerstört. Der Geruch nach Fäulnis und Ammoniak geht rasch verloren. Die löslichen mineralischen Stickstoffverbindungen, Ammoniak und Salpeter, werden in Pilzeiweiß, Chitin und Harnstoff, d.h. in organische Verbindungen, übergeführt und dadurch widerstandsfähig gegen Verluste.

Je weiter das Kohlenstoff-Stickstoffverhältnis der kompostierten Massen, desto rascher verläuft die Stickstofffestlegung. Phosphorsäure, Magnesium sowie Zink, Kobalt und andere Spurenelemente werden ebenfalls von den Schimmelpilzen aufgenommen. Fett, Hemizellulose und Zellulose der kompostierten organischen Massen werden z.T. in Pilzmassen umgewandelt. Die Schimmelpilze arbeiten dabei sehr sparsam; denn nur 20-40 % der Energie dieser Stoffe geht dabei als Wärme verloren, während 60-80 % im Pilzmyzel festgehalten werden.

In den nach einigen Wochen sich selbst zersetzenden Schimmelpilzen vermehren sich andere Pilze und Strahlenpilze sowie bestimmte erwünschte Bakterien beträchtlich. Von den Schimmelpilzen erzeugte Vitamine und andere Wirkstoffe dürfen dafür verantwortlich sein. Auch der Regenwurm bevorzugt kalkhaltige und feuchte verschimmelte Massen. In seinem Darm hat man ein Chitin zersetzendes Ferment gefunden. Durch wertvolle Schimmelpilze vorverdaute Massen sind mithin bevorzugtes Futter für viele wichtige Lebewesen fruchtbarer Böden.

Der von Schimmelpilzen erzeugte Pilzhumus enthält bis zu 8 % Stickstoff und soll nach Laatsch [4] sich auch ohne Mitwirkung der Regenwürmer mit Ton zu fruchtbaren, beständigen Ton-Humus-Komplexen vereinigen. Das Pilzmyzel, einschließlich der Pilzhuminsäuren, ist die langsam fließende Stickstoffquelle fruchtbarer Böden, ohne die Höchsterträge und gesunde Pflanzen nicht erzielt werden können. Bei der Selbstzersetzung (Autolyse) der Schimmelpilze werden auch wasserlösliche Phosphorsäure und viele Spurenelemente freigesetzt. [...]

Drei bemerkenswerte Fakten

– Beim Kompost kommt es weniger auf die Menge, sondern mehr auf die Güte an, d.h. auf die Fähigkeit, anregend auf die Bodenlebewesen zu wirken.

– Lebende und sich zersetztende Mikrobensubstanzen sind die wertvollsten Bestandteile des Kompostes.

– Schimmelpilze erzeugen aus der gleichen Menge organischer Rückstände doppelt bis dreimal so viel Mikrobenmasse wie die sauerstoff-liebenden und 10-12mal soviel wie die sauerstoff-fliehenden Bakterien.

CO2-Bindung durch Algen

Im kalkhaltigen, pilzreichen Kompost gedeihen Algen gut und sorgen durch Kohlensäure-Assimilation [CO2-Bindung!] sogar für die Vermehrung der organischen Massen. Ferner haben Untersuchungen gezeigt, dass die bei reichlicher Sauerstoffzufuhr von Pilzen aufgebauten organischen Verbindungen im gut durchlüfteten Boden erheblich (dreimal) beständiger sind, als Zersetzungsprodukte sauerstoff-fliehender Bakterien. Einschränkungen der Bodenbearbeitung auf Obstland begünstigen die Pilzflora und verringern den Abbau vorhandener Humusverbindungen. Der Regenwurm ist der beste Pflug für die Obstgewächse. Außerdem kann der Abbau des reifen Kompostes durch Aufbringen auf die Bodenoberfläche und Bedecken mit unzersetzten organischen Massen verlangsamt werden. Dort finden schädliche mineralisiernde Bakterien wenig günstige Lebensbedingungen. [...]

Stickstoffbindung durch Pilze

Zum Schluss möchte ich noch einen Hinweis geben, der das Erkennen der grundlegenden Zusammenhänge der natürlichen Flächenkompostierung [in der Natur] und der danach entwickelten naturgemäßen oder kurz "natürlichen Kompostierung" erleichtern kann. Wenn der Leser im Wald oder Garten durch Schimmelpilze weitgehend zersetztes Laub findet, so wird er leicht zu der Annahme neigen, dass es sich dabei um sehr stickstoffarme, durch Regen ausgewaschene Rückstände der beim Laubfall stickstoffreicheren Blätter handele. Dies ist durchaus nicht der Fall. Chemische Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass die Gewichtseinheit verwester Blätter zwei bis 3mal so viel Stickstoff enthalten kann wie das Ausgangsmaterial, weil während der natürlichen Rotte die Schimmelpilze den Stickstoff festhalten und vorhandene Fette, Hemizellulosen und Zellulosen weitgehend in Kohlensäure überführen. Dadurch wird das Kohlenstoff-Stickstoffverhältnis beträchtlich eingeengt. Wo Pilze tätig sind, entstehen nicht nur keine Verluste an Ammoniak, sondern außerdem wird auch jede Dentrifikation, d.h. Entwicklung von gasförmigem Stickstoff aus Salpeter, verhindert. Reifer Kompost ist sehr eiweißreich, er enthält 4-5 % Gesamtstickstoff in der organischen Substanz. Er ist deshalb eine Delikatesse für alle tierischen Bodenlebewesen.

Stickstoffverluste durch Dentrifikation

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass nach neuesten Untersuchungsbefunden im Boden 50% des Stickstoffs von Mineraldüngern, Stalldung und Gründung durch Dentrifikation verloren gehen. Wenn wir durch Zufuhr von hochwertigem Kompost oder durch Bodenbedeckung [Mulchen] die Pilztätigkeit im Boden wieder beleben, können diese durch dentrifizierende Bakterien verursachten außerordentlich großen Stickstoffverluste allmählich verringert und mit der Zeit weitgehend verhindert werden. Pilze wirken stickstoffanreichernd; sie sind das stabilisierende Element im Stickstoffhaushalt des Bodens. Die sich selbstzersetzenden abgestorbenen Pilzfäden sind die langsam fließenden Stickstoffquellen im Boden, die gesundes Wachstum und Höchsterträge der Kulturpflanzen ermöglichen.
Bakterien beschleunigen den Umlauf im Boden und werden, wenn sie überwiegen, zu Stickstoffverschwendern." (Text-Ende) [TJ.4.17] Zählpixel


Weitere Hinweise, Literatur, Quellen
[1] Der Aufbau des Komposthaufens sollte also luftig sein. Eine schattige Stelle eignet sich dafür bestens. An dieser wird als Untergrund grobes Material (z.B. kleine Äste, Holzhäcksel) ausgelegt. Die ideale Größe einer solchen Anlage ist 1,50 m x 1,50 m, um eine ausreichende Belüftung von allen Seiten zu gewährleisten. Sollen größere Mengen an Laub oder Grasschnitt, die sehr stickstoffreich sind, kompostiert werden, muss kohlenstoffreiches Material, das ist beispielsweise Stroh, Heckenschnitt oder Holzhäcksel, untergemischt werden. Das Verhältnis von grünem (stickstoffreich) und ausgereiftem (kohlenstoffreich) Pflanzenmaterial muss ausgewogen sein.

[2] Rohde, Dr. Gustav, Der Obstbau und sein Komposthaufen; Blankenfelde (bei Zossen) Veröffentlichung im Obstbaulehrgarten Wurzen, Brief Nr. 9/1953, Wurzen, am 1. September 1953. Der oben stehende Text ist für die Lesbarkeit am Monitor in wenigen Teilen leicht verändert.
https://geschichtsverein-wurzen.de/documents/LandwirtschaftsschuleWurzen.pdf

[3] Dr. Rohde bezeichnet seine Methoden explizit als naturgemäße oder natürliche Kompostierung, im Gegensatz zu althergebrachten Arbeitsweisen. Der Verfasser spricht dafür aus, Komposthaufen besonders gut zu belüften.

[4] Willi Laatsch (1905–1997), deutscher Bodenkundler, Forstwissenschaftler
Bildquelle: commons.wikimedia.org © selena.p (CC BY-SA 3.0)