Hochwasserkatastrophen im Müglitztal (Weesenstein, Dohna) 1609 bis 2002

Schloss Weesenstein 2014

Das Müglitztal liegt am Rande des Osterzgebirges. Der Fluss entspringt am nordöstlichen Abhang des böhmischen, zinnwalder Berges und fließt kurz vor Dresden in Heidenau in die Elbe. An dem Gewässer liegen zahlreiche alte Mühlen, welche gewisserart mittelalterliche Industrieansiedlungen darstellen. Im Mittelalter siedelte man noch nicht direkt in unmittelbarer Nähe der Müglitz, sondern baute in Flussnähe nur Gebäude und Anlagen, die die Wasserkraft benötigten. Zu den Mühlen gesellten sich später auch andere Gewerke, welche Wasser für ihre Verarbeitungstechniken brauchten. Ich selber bewohne ein solches altes Haus, in dem ursprünglich eine Gerberei betrieben wurde.

Wohl spätestens im 16. Jahrhundert siedelten sich im Müglitztal hier und da auch noch ein paar Landwirte an, aber erst mit der Industrialisierung weiteten sich die meist kleinen Dörfer und Städte, die entlang der Müglitz auf den Hügeln lagen, in das Tal hinab aus. 1890 wurde das Terrain mit einer Schmalspurbahn erschlossen und weiter besiedelt. Nun liegt es jedoch in der Natur der Dinge, dass ein Gebirgsfluss, denn das ist die Müglitz durchaus, bei besonderen Wetterereignissen Hochwasser führt. Das geschah zum Beispiel 1609, 1897, 1927 und 2002. Das Hochwasserereignis von 2002 war damals sehr im Fokus der Medien, da man solch heftige Unwetterkatastrophe in Deutschland seit Jahrzehnten nicht erleben musste.

Lauenstein Hochwasserrückhaltebecken2) Wir haben die Gewalten der Natur nun im Griff. Die Müglitz ist durch ein Hochwasserschutzbecken gebändigt!? 2002 brach die Rückhaltemauer.

Im Müglitztal kam es zu erheblichen Schäden an Häusern und der Infrastruktur und es gab auch Todesopfer zu beklagen. Fast zeitgleich, mit nur wenigen Tagen Verzug, entstand durch heftige Regenfälle in Böhmen ein extremer Wasserhochstand auch an der Elbe, welcher sich unweit von meinem Heimatort durch die Enge des Elbsandsteingebirges noch verstärkte.

Die Ursachen

Ein paar heimatgeschichtliche Bilder habe ich hier auf dieser Seite zusammengestellt und auch drei Bilder von meinem Grundstück nach dem Hochwasser 2002. Ich hatte Glück im Unglück, denn bei mir war im August 2002 nur der Garten verwüstet und das Haus, bei dem sich das Fundament abgesenkt hatte, was Risse in der Hauswand zur Folge hatte, nur teilbeschädigt. Im Nachhinein gesehen wussten die Erbauer meines Häuschens aber recht genau um das Risiko, ein Gebäude so dicht am Wasser zu errichten. Allein der hohe Wasserbedarf zwang sie dazu. Ein Stück weiter flussaufwärts ist das ähnlich. Das Gebäude des alten Stadtbades und die Schlossmühle stehen noch näher am Fluss. Vor 500 Jahren baute man hier also nicht ohne Not in dieser Gefahrenzone. Je weiter sich die Menschen durch die zunehmende Industrialisierung jedoch von der Natur entfernten, um so mehr baute man, ohne Rücksicht auf die "Bedürfnisse" der Natur, in das Tal hinein. Die Folgen sehen wir auf den folgenden Bildern, die mehrer Hochwasserkatastrophen der Müglitz dokumentieren. Bei vielen diesen aktuellen und immer wiederkehrenden Naturkatastrophen weltweit schaue ich nun mit meinem regionalen Vorwissen genauer hin. In den meisten Fällen vermute ich, dass nicht die Wetterextreme zunehmen, sondern lediglich die Folgen des menschlichen Wirkens gegen die Natur sind.

Dohna 1690 Müglitztal2) Die Stadt Dohna 1690. Mein Haus steht unten links am Wasser. Es gehörte zu den Gewerken mit hohem Wasserbedarf (Gerberei). Alle anderen Häuser steht auf dem Berg.

Interessant finde ich, dass es eigentlich noch weit bis in das 19. Jahrhundert hinein üblich war, den Standort für Wohnhaus und Garten sehr genau zu planen. Man hatte es vor 150 Jahren auch schon weit gebracht, diesbezüglich alle Eventualitäten zu bedenken. Das taten vor allem die gut betuchten Herrschaften und industriellen Neureichen bei der Auswahl ihrer Landsitze und Landhäuser. Es war von Bedeutung, das vorherrschende Mikroklima möglichst optimal zu nutzen, um das Haus im Sommer kühl zu halten und im Winter vor der Kälte der Nordwinde zu schützen. So sollte das Gebäude beispielsweise gegen Südwest möglichst an einen Wald anschließen und die Hauptfront des Hauses nach Süden hin ausgerichtet sein. Zudem wollte man auch eine schöne Aussichten genießen können.
Am Wissen, wie und wo man sich niederlässt, fehlte es damals offensichtlich nicht und auch heute sind diese Erkenntnisse immer noch da. Doch ökonomische Interessen beachten nur selten Risiken, die nicht ständig präsent sind. Und das Bevölkerungswachstum tat sein Übriges.

Maisanbau als Ursache für Hochwasser3) Kann der übermäßige Maisanbau auf zum Teil dafür ungeeigneten Lagen (Hang) nicht auch eine erhebliche Rolle bei Hochwasser spielen, zumindest aber für Schlammlavinen verantwortlich sein?

Eine weitere menschengemachte Ursachen-Möglichkeit ist weniger die hypothetische Klimaerwärmung (vom Menschen verursacht), die immer wieder angeführt wird, sondern ganz offensichtlich, in den Medien jedoch nicht thematisiert, auch die neuartige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen. Der Boden der Äcker wird kaum noch tiefgründig gepflügt, jedoch mit den schweren Maschinen mehr und mehr verdichtet. Das Niederschlagswasser kann nicht mehr tief eindringen und fließt bei Gewittergüssen und langanhaltendem Regen nur noch ab. Dabei nimmt es Erde mit, und es kommt zu den gefürchteten Schlammlavinen.
Außerdem prägen in zunehmender Menge Raps- und Maisfelder die Landschaft. Diese Kulturen haben eine relativ späte Vegetation, das heißt, der Boden liegt eine lange Zeit offen da und ist Regengüssen ungeschützt ausgesetzt. Ist die Erde im Frühsommer dann schon ein erstes Mal recht trocken, hat sie gar keine Zeit, einen heftigen Gewitterguss aufzunehmen. Da beim Maisanbau zwischen den Pflanzen relativ viel Freiraum ist, bleibt dieses Problem bis zur Ernte bestehen. Befindet sich der Acker nun auch noch auf einer Hanglage, verstärkt sich die Situation um ein Vielfaches.

Hochwasser 1897

Bei der Überschwemmung im Jahre 1897 kamen die Menschen im Müglitztal noch relativ glimpflich davon. Damals regnete es über Tage heftigst, und so war man am 30. Juli 1897 wohl schon auf das Schlimmste vorbereitet. Jedenfalls wurden per Telegraf militärische Hilfstruppen angefordert, die bereits am Abend des 30. Juli in Weesenstein vor Ort waren. Bereits am 1. August funktionierten in Weesenstein, durch schnelle provisorische Reparatur, bereits wieder die Telefone.

Hochwasser 1927

Die Hochwasserkatastrophe, welche in der Nacht vom 8. zum 9. Juli 1927 durch eine Gewitterfront (Mittelmeertief) verursacht wurde, forderte im Müglitztal 144 Todesopfer (nach anderen Angaben fast 200 Opfer). Sie ereignete sich für die Menschen in dieser Region vollkommen überraschend. Durch relativ kurze, aber umso heftigere Wolkenbrüche auf dem Erzgebirgskamm entstand in dieser Nacht eine Flutwelle von 4,10 m über dem normalen Pegel (2002 stand der Hochwasserpegel bei 4,50 m) und überraschte die meisten Menschen wohl im Schlaf.
Neben viele Gebäuden wurde auch wichtige Infrastruktur, wie Brücken über die Müglitz [1], zerstört. Ein altes Foto, welches im Bild 4) zu sehen ist, dokumentiert das.

1927 Hochwasser Dohna Schlossmühlenbrücke4) 1927 Dohna, stark beschädigte Brücke der Schmalspurbahn an der Schlossmühle.

Raupenketten-Löffelbagger 1928, Bauart Orenstein und Koppel5) Die Aufräumungsarbeiten wurden 1928 mit modernster Technik durchgeführt. Raupenkettenbagger von Orenstein & Koppel.

Eine Leipziger Zeitung veröffentlichte einen Artikel über die damals neueste Technik in der Baubranche. Neben einem Foto einer Baustelle in Leipzig wurde auch ein Bild von den Aufräumarbeiten im Müglitztal veröffentlicht. Die Bildunterschrift lautet (links): Moderner Raupenketten-Löffelbagger (Bauart Orenstein & Koppel) auf einem kilometerlangen Marsche (kilometerlange Anfahrt) zur Baustelle in Leipzig. Und (rechts): Wiederaufbauarbeiten im Überschwemmungsgebiet im Müglitztal unter Verwendung eines modernen Raupenketten-Löffelbaggers [...], der auch im Winter in Schnee und Eis ununterbrochen arbeitet.

Hochwasser 2002

Aus meinem Gemüsegarten wurde innerhalb weniger Stunden eine Seenlandschaft - im Bild 6) linkes Foto, und nachdem der Regen aufgehört hatte war er eine Müllhalde - rechtes Foto.

26 dohna 2002 garten6) Links: Das Wasser steigt und steigt (12. 8. 2002). Rechts: Der Regen hat aufgehört und das Wasser zieht sich langsam zurück. Nun heißt es aufräumen (13. 8. 2002)..

Am Sonntag, dem 11. August 2002 beginnt es nach einer längeren Trockenperiode endlich zu regnen. Alle Gartenbesitzer sind dankbar für das belebende Nass. Am Montag, dem 12. August regnet es immer noch und teilweise so stark (der Begriff Starkregen war noch nicht erfunden ;-), dass bereits die ersten Keller vollgelaufen waren und das Wasser Abhänge und abschüssige Straßen hinunterschoss. Die Müglitz, bis dahin fast leer gewesen, füllte sich zusehends und das Wasser stieg stündlich an. Da es keine Vorwarnung gab, sind alle Schulkinder zur Schule (das neue Schuljahr hatte gerade begonnen) und die arbeitende Bevölkerung zur Arbeit gegangen.
Da wir bei diesem starken Regen sowieso nichts machen konnten (ich arbeitete damals als Friedhofsmeister auf dem Friedhof in Dresden Zschachwitz), fuhren meine Kollegen und ich gegen 13:00 nach Hause. Das war da schon nicht mehr ganz ungefährlich, weil das Wasser bereits manche Abschnitte der Kanalisation geflutet hatte und die Gullydeckel nach oben gedrückt wurden. So manches Auto wurde dadurch beschädigt. Auch ich ließ auf halber Strecke mein Auto stehen und konnte noch zu Fuß mein Zuhause erreichen. Als ich dort gegen 14:00 ankam, haben wir noch Späße gemacht, wie weit sich die Müglitz wohl in unseren Garten vorwagen würde. Anschließend hab ich dann vorsichtshalber Werkzeuge, Geräte und Gartenmöbel in meiner Garage nach oben geräumt. Gegen 18:00 kamen die ersten Autos das Müglitztal heruntergeschwommen.

Dienstag, der 13. August 2002 am Morgen. Es hatte noch die ganze Nacht geschüttet, und erst in den frühen Morgenstunden hörte der Regen auf. Das Wasser hatte meinen gesamten Garten bedeckt. Nur noch die Bäume und Büsche ragten daraus hervor. Mein Grundstück war danach voller Treibholz. Das Schwemmgut lag zum Teil im mehreren Schichten übereinander, teilweise fast einen Meter hoch, in meinem Garten.
Was wir bis dahin noch nicht wußten: die Staumauer vom Rückhaltebecken (der Müglitz) in Lauenstein hatte den Wassermassen nicht standgehalten und war in der Nacht zum Dienstag gebrochen. Sonst wäre es wohl nicht so schlimm für uns gekommen.

Am Mittwoch, dem 14. August 2002 war die Müglitz wieder in ihr Flussbett zurückgekehrt. Ab Donnerstag, den 15. August konnten wir mit den Aufräumarbeiten beginnen. Freunde und Verwandte waren sofort als Helfer da. Das Bild 6) zeigt meinen Gemüsegarten am 16. August 2002. Neu ist, dass ich nun angeschwemmten Sandboden habe. Heute ernte ich auf diesem leichten Boden in bester Qualität Wurzelgemüse und Spargel. Aber ich finde auch noch immer beim tiefer Umgraben Dinge, die damals angeschwemmt wurden.

Mein Garten 20026) Das war mal mein Gemüsegarten. Tomaten, Kürbisse, Kräuter und Blumen wurden weggeschwemmt oder vom Schlamm bedeckt.

Mein Gartenhaus stand gut einen Meter im Wasser und hielt einer starken Strömung stand. Auch die Holzbaracke, die im Bild 6) im Hintergrund zu sehen ist, hatte voll in der Strömung gestanden. Sie wurde um etwa eineinhalb Meter verschoben, dann hielt eine Birke sie auf. Ansonsten hätte des Wasser wohl auch dieses Gebäude mitsich gerissen.

Bildquellen:

  • [1] Bild 4) Fotoabzüge des Fotografen E. Jäger, Dresden-Leuben Lilienthalstr. 13
  • [2] Foto eines Zeitungsfragments der Leipziger Neuesten Nachrichten, vom Februar 1928