Sehr lange Zeit bestanden moderne Gartenanlagen im Wesentlichen aus zwei Komponenten: aus Wegen und Grün. Parkanlagen wurden fast immer so angelegt, dass sie auf endlosen und ohne Ziel erscheinenden, bogenförmigen Wegesystemen durchschritten werden konnten. Ich erinnere mich noch genau daran, wie öde mir in den Kinderjahren Besuche in Landschaftsparks wurden. Immer nur laufen und spazieren gehen, endlose Wege, Wiesen, Alleen und langweilige Parkbänke...
In den Heckengärten der Barockzeit konnte man sich wenigstens noch verstecken. Doch im Park: nur krumme Wege. Im Kleinen kopierte das dann auch so mancher Grundstücksbesitzer beispielsweise mit gekrümmtem Vorgartenweg und feierte dieses als gestalterischen Höhepunkt. Doch der Garten ist mehr als eine Durchgangshalle. Er selbst ist das Ziel. Er ist der ruhende Punkt, an dem die Wege enden. Und so muss den beiden bereits genannten Komponenten noch eine dritte hinzugefügt werden: Gartenplätze.
Plätze, von denen aus man still die Natur beobachten kann, sind ebenso wichtig, wie Terrassen am Haus oder Plätze zum Sonnen und zum Spielen für Kinder. Die Wege sind nur Verbindungselemente derselben. Chinesische Gärten sind nach diesem Prinzip geordnet, in denen das malerisch gestaltete Wegenetz Pavillons und geräumige Lauben als architektonisch gestaltete Ruheplätze miteinander verbindet. Der Garten sollte besser als eine Zusammenfügung von Plätzen definiert werden und weniger eine Anhäufung von Wegen sein. Reduziert man ihn auf sein wesentlichstes Element, auf den "Platz", so haben wir einen Gartenhof vor uns.
Der Hof (ein Hausgarten) war stets Mittelpunkt des häuslichen Lebens.
In unserer Vergangenheit war der Hof stets Mittelpunkt des häuslichen Lebens. In mediterranen Landschaften sind ummauerter Hof und Garten kaum voneinander zu trennen. Im nordalpinen Raum lagerten sich Wohnhaus, Stallungen und Vorratsgebäude, sowie der abgegrenzte Hausgarten um den Hof, der meist durch eine gewaltige Linde, Kastanie oder Walnuss (der Hausbaum) oder durch Torbäume geprägt war. Im Schatten des Hausbaumes fand sich Quelle oder Brunnen.
Wein oder Spalierobst in Verbund mit dem Gemäuer trennten die menschliche Behausung von der Landschaft und gaben den Bewohnern einen sicheren, schönen Ort, eine Insel inmitten der Natur, in einer Zeit, als die Natur noch als bedrohlich und lebensfeindlich empfundenen wurde.
Heute ist der Wohngarten oder Gartenhof wieder ein besonderer Ort und Mittelpunkt der Familie. Er kann Arbeitsplatz sein oder ein abgeschiedener Flecken zur Ruhe und aktiven Erholung. Bedrohlich erscheint nicht mehr die Natur, heute ist es die Unrast, die Schnelllebigkeit, das Fehlen eines ruhenden Mittelpunkts im Leben. Und genau das sollte der Garten uns sein, auch wenn er in seiner Fläche auf ein Minimum reduziert ist wie z.B. auf einen grünen oder bunt blühenden Balkon. Gestalterisch mag die oben gezeichnete Urform unserer Wohngärten Grundlage neuer Ideen werden, wir müssen nur unbefangen bisherige Konzepte und gestalterischer Ziele prüfen, um neue Maßstäbe anzulegen: Der Garten ist das Ziel unserer Wege.
Wege und Plätze im Garten
Wege sind, abgesehen von Tierpfaden nichts Natürliches, sie sind Menschenwerk. Ein Weg ist immer die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten und ohne zwingende Gründe, wie Niveauunterschiede oder Hindernisse, sollte man von der geraden Wegeform auch nicht abweichen. Wege können Flächen teilen oder verbinden. Die Kunst ist es jedoch, dass wir das Gewicht auf das verbindende Element legen, damit Wege nicht zu isolierten Streifen verkommen. Werden Wege zu schmal angelegt, wirken sie wie harte Trennungslinien. In diesem Fall kann durch breite Blumenrabatten entlang des Pfades eine Korrektur erfolgen. In kleinen Gärten läuft der Weg oft ins Leere aus. Hier ist es sinnvoll, am Wegende einen Endpunkt zu setzen. Vielerlei Gestaltungsmöglichkeiten hat man mit Bänken, Lauben, Brunnen, Wasserbecken, Wandbrunnen, Quellsteinen, Plastiken oder anderen Kunstobjekten. Auch ein kleiner Irrgarten kann zum gestalterischen Zielpunkt werden.
Endet der Weg wie bereits vorgeschlagen, auf einem kleinen ruhigen Platz, so bekommt der Garten im Einzelnen mit oben genannten Gestaltungselementen ein Gestaltungsthema. Wie ein Organismus in vielerlei Funktionsbereiche gegliedert ist, darf auch der Garten nicht eine völlige amorphe Masse darstellen, sondern er muss durch deutliche Akzente und Schwerpunkte sinnvoll gegliedert sein. Diese Akzente dürfen auch nicht willkürlich eingefügt werden, sie ergeben sich vielmehr aus der Funktion der einzelnen Gartenbereiche, oder die Natur bestimmt sie:
Ein Platz um einen alten Baum, mit Tisch und Bänken unter ihm kann den kleinen Garten beherrschen, im großen und im Park auch weit vom Hause Ziel der Ruhe sein. Ein kleiner Heckenirrgarten kann der gestalterische Zielpunkt werden. Plätze können aus Notwendigkeiten heraus entstehen, etwa für Anfahrten; zum Umwenden; zum Parken; zum Spielen im Freien; zur Verbindung von Teilen des Grundstückes von verschiedenen Ausgangspunkten her und wo zu gleichem Zweck der Wege zu viele werden würden. Weiter um Gäste zu empfangen, zu verabschieden, also am Haus, vor der Terrasse, am Garteneingang; als Sammelplätze für größere Gesellschaften am Haus, im Park und großen Garten; als Ruhepunkte an Wegen oder mittels kleiner Pfade abseits davon im Schatten oder auf einer sonnigen Wiese. Wenn das Haus nicht absichtlich im Grün der Bäume eingesponnen sein soll, so ist ein freier Platz vor dem Hause ein Mittel, zu dessen Betrachtung den nötigen Abstand zu gewinnen.
nach W. Lange, Die Gartengestaltung der Neuzeit Leipzig 1907