Allium ampeloprasum var. Holmense1) Lauch treibt nach dem Rückschnitt wieder aus!
1) Lauch treibt nach dem Rückschnitt wieder aus!

Für den vorliegenden Fachartikel kann ich durchaus höchste Spannung versprechen, denn er beinhaltet eine ziemlich in Vergessenheit geratene Form der Porreekultur. Vielleicht ist das sogar die ursprüngliche Art, den Lauch zu kultivieren – zumindest im selbstversorgenden Gartenbau. Zunächst deshalb kurz zur Anbaumethode, bei der der Lauch in mehreren Etappen geerntet werden kann. Von der Pflanzung (Juni/Juli) an bleibt er bis zum Frühjahr des kommenden Jahres auf dem Beet stehen und kann mehrmals beerntet werden, das erste Mal bereits nach wenigen Woche (August), sobald er reichlich Blattwerk treibt. Unter günstigen Wachstumsbedingungen können da schon respektable Porreestangen entstanden sein, wie im Bild 2) zu sehen ist. Der Schnitt erfolgt so, dass die Wurzel mit einem etwa fünf Zentimeter langen Stück Schaft im Boden verbleibt. Von dort her treiben dann immer wieder neue Blätter aus, so wie es im Beitragsbild 1) zu sehen ist, die sich im Weiterwachsen zu neuen Stangen entwickeln. Da sie wiederum rasch nachwachsen, können wir den Lauch bis zu viermal in einer Saison und nach der Überwinterung noch ein weiteres Mal beernten.
Wenn wir das Beet vor der Pflanzung des Lauchs im Juni noch mit einer Vorkultur bewirtschaften [1], ergeben sich enorme Ertragsmöglichkeiten pro Jahr und Quadratmeter Beetfläche, die besonders für Selbstversorger von Interesse sein sollten.

Die soeben beschriebene Erntemenge scheint im ersten Moment übertrieben, doch dem ist nicht so. Vergleichen wir es einmal mit einem klassischen Winterporree, der von der Pflanzung bis zur Ernte kontinuierlich wächst. Unter idealen Bedingungen kann er tatsächlich eine gewaltige Größe und Dicke erreichen. Schon vor über hundert Jahren brüstete sich so mancher Gärtner mit armstarken Porrestauden [2], die tatsächlich so als Riesengemüse kultivierbar sind. Allerdings haben sie ein für den Handel "unhandliches" Format, und müssen auch in der Küche erst einmal verarbeitet werden. Aus diesem Grunde werden für den marktüblichen Gebrauch möglichst langschäftige Porrestangen von 140 bis 240 Gramm produziert.
Von einer Schnitt-Porree-Staude können wir drei bis vier Mal Lauchstangen schneiden, wie sie im Bild 2) zu sehen sind. Mit dem mehrfachen Schnitt kommen wir am Ende auf ähnliche Erntemengen, wie bei einer Riesen-Porree-Sorte [3], halt nur nicht in einem Stück. Für den Verbrauch in der Küche kann das durchaus von Vorteil sein.

2) Im Durchschnitt wiegt eine Lauch-Stange mit Blättern 160 Gramm.

Porree oder Lauch – gibt es Unterschiede?

Bevor ich zu den weiteren Ausführungen komme, möchte ich noch einige Begrifflichkeiten genauer definieren, ohne an dieser Stelle die botanische Zuordnung präzise unter die Lupe zu nehmen.

Porree, Winterporree, Winterlauch

Allgemein sprechen wir, wenn wir eine Porreestange meinen, von Porree oder Lauch (botanisch = Allium porrum L.).
Um die Sache etwas abzukürzen, gehe ich davon aus, dass mit Allium porrum L. der stangenbildende Lauch gemeint ist, welcher ziemlich winterhart ist und der als Winterlauch im Herbst oder Winter (wenn frostfrei ist) geerntet, sehr gut gelagert und im Handel auch gut zu handhaben ist. Er hält sich recht lange und kann ohne Qualitätseinbuße relativ gut verpackt und transportiert werden.

Lauch, Sommerporree, Sommerlauch

Des Weiteren finden wir in der Gartenliteratur den sogenannten und als etwas veraltet geltenden Sommerporree (botanisch = Allium ampeloprasum var. ampeloprasum), der regional auch als Lauch oder Sommerlauch bezeichnet wird. Er soll quasi die Urform des Porrees darstellen [6]. Etliche Samenhändler bieten Sommerporre wiederum mit dem Hinweis an, dass dieser einerseits zeitiger als der Winterporree (Winterlauch) Stangen bildet, andererseits aber weniger winterhart ist [4]. Weiterhin erfahren wir in den gängigen Publikationen, dass die Stangen vom Sommerporree relativ lang werden (als erwähnter Vorteil [5]), und in ihrer Blattfärbung meist von hellgrüner Färbung sind.
Allerdings muss hierzu noch erwähnt werden, dass es in den vielen Ausführungen der Gartenliteratur diesbezüglich etliche Begriffsverwirrungen gibt, die schwierig klarzustellen sind:
So heißt es beispielsweise, dass Sommerlauch und Porree eigentlich nur Kulturvarianten (Allium ampeloprasum var. ampeloprasum) der Wildform Allium ampeloprasum sind, dessen deutscher Name Ackerlauch oder Ackerknoblauch ist. Anhand meiner Recherchen bin ich zu einer anderen Meinung gekommen und zwar, dass wiederum der Ackerlauch eine noch ältere, verwilderte Kulturpflanze ist, deren Anbau nach heutigen archäologischen Zuordnungen bis in der Mittelsteinzeit reicht, so meine These [7].
Im Übrigen vermute ich, dass der Sommerlauch eigentlich der Lauch ist, welcher zuerst in den Hausgärten stand. Er fand überwiegend als Schnitt-Porree Verwendung, das heißt er wurde selten komplett geerntet sondern regelmäßig wie eingangs beschrieben geschnitten oder "geschoren" [8a] wurde, wie es in alter Literatur zu lesen ist. Diese Anbauweise finden wir auch noch beim heutigen ägyptischen Kurat [9]. Mein These dazu ist, dass die Sommerlauch-Sorten ursprünglich die der Selbstversorger waren, die Wintersorten wiederum vorzugsweise der Lagerung und Winterversorgung dienten und für den Handel angebaut wurden.
Die entsprechenden Sortenauslesen sind aber keine Sache der Neuzeit. Bereits die antiken Griechen und Römer kannten diese beiden Varianten und beide Nutzungsarten. Fischer-Benzon [8b] schreibt hierzu: "Die Alten [Griechen und Römer] unterschieden zwei Arten [...] porrum capitatum und porrum sectivum. Die erste entspricht unserm gewöhnlichen Porree, der wegen seiner Zwiebel [Lauchstange] ebenso wie jetzt gebaut wurde. Über die zweite Art wissen wir nicht sehr viel; sie wurde mehrmals geschoren."
Ebenfalls aus der Zeit der Antike ist bekannt, dass die an der römischen Grenze wohnenden Germanen die in den Grenzregionen lebenden Römer mit Porree belieferten. Im übrigen besaßen die Germanen, bei denen der Lauch einen hohen Stellenwert hatte [10], wie ich vermute auch noch weitere knoblauchartige Varianten des Ackerlauchs in ihren Selbstversorgergärten. Neben Winter- und Sommerlauch könnten das sowohl die Urform des heutigen Elefanten-Knoblauchs (eine echte Knoblauchvariante) als auch der vom Ackerlauch abstammende Perllauch gewesen sein. Elefanten-Knoblauch und Perllauch wurden zudem vielleicht noch als "Frühlings-Treiblauch" kultiviert, indem ihr erster Austrieb (der im Herbst gepflanzten Zwiebeln) geschnitten wurde. Er ist besonders zart.

Last but not least gehört in diese Kategorie noch die Perlzwiebel, welche entweder vom Lauch oder vom Perllauch abstammt, was ich in meinen Recherchen bisher noch nicht eindeutig klären konnte. Zur Perlzwiebel und deren Herkunft (bzw. Erzeugung) habe ich 2023 zunächst eine Quellenstudie als PDF verfasst, welche hier abgerufen werden kann. Im Ausnutzen dieser mannigfaltigen Metamorphosen war der Lauch von Alters her ganz offensichtlich ein unentbehrliches Universalgemüse, das heutzutage leider vollkommen aus dem Fokus geraten ist.
Übrigens: Diese hier in diesem Artikel vorgestellte Wiederentdeckung der Lauchkultur habe ich in meinen Ausführungen über den Porree-Anbau im Garten entsprechend einfließen lassen, wobei ich zwischen Porree und dem hier vorgestellten Lauch (der dem Sommerlauch als dritte Gruppe nahe steht) gewisse Unterschiede sehe.

Die Geschichte der Lauch-Kultivierung in Europa

Im Rückblick auf die Germanen ist festzustellen, dass viele ihrer Stämme mit hoher Wahrscheinlichkeit gute Lauch- und Knloblauchgärtner waren. Das lag wohl daran, das sie in den Zeiten vor dem intensiveren Kontakt mit den Römern für das Würzen ihrer Speisen (Getreideprodukte, Milch und Fleisch) neben wilden Würzkräuteren nur Salz zur Verfügung hatten. So kamen die diversen Laucharten mit ihrem zum Teil schon recht intensiven Aroma für die geschmackliche Verfeinerung der Mahlzeiten zum Einsatz.
Und das häufig offensichtlich auch exzessiv. Denn immerhin betitelte der gallorömische Literat Sidonius Apollinaris (geb. um 432; gest. nach 479) die germanischen Burgunden als "riesige, verfressene Barbarengenossen, welche schon morgens rülpsend nach Knoblauch und Zwiebeln stinken würden" [11]. Im Umkehrschluss sagt uns das allerdings viel über deren Fähigkeiten im Gartenbau aus. Um sich solch einen Ruf zu erarbeiten, müssen jene "stinkenden Zeitgenossen" doch erhebliche Mengen an Zwiebeln, Lauch und Knoblauch vorrätig gehabt haben. Vermutlich stand ihnen auch Schnitt-Porree, Winterporree, Perllauch und Frühlings-Lauch zur Verfügung. Offensichtlich waren das viel angebaute Standardgemüse der vorgeschichtlichen Germanenstämme [12] und anderer europäischen Völkerschaften. Man hatte mit ihm also ein variables und hocheffizientes Ganzjahres-Gemüse. Es zeigt sich, dass unsere Altvorderen durchaus ziemlich ökonomisch handelten.
Ich vermute dass Allium ampeloprasum in seinen verschiedenen Auslesen spätestens seit der Eisenzeit bei den mittel- nord- und osteuropäischen Völkerschaften eine wichtige Rolle spielte und auf besondere Weise weitergezüchtet wurde. Die Lauch-Kultur ähnelt nämlich der des Roggens. Beide Pflanzen wurden in diesem Raum im Zusammenspiel mit den hier herrschenden klimatischen und jahreszeitlichen Bedingungen wie beispielsweise stark wechselnde Lichtverhältnisse (Lauch wächst auch gut bei langanhaltender trüber Witterung) vom Menschen quasi genetisch weiterentwickelt.
So etwas geschah vielfach in der Geschichte der Menschheit, wenn Wildpflanzen von ihrem natürlichen Standort entnommen und in andere Klimate und/oder auf Kulturland versetzt wurden. Die ungeheuer starke Wüchsigkeit, welche dem Lauch zueigen ist, benötigt er, um sich an seinen natürlichen Standorten zu behaupten. Dazu zählen bergige Steppengebiete in West- und Zentralasien. Dort muss sich Allium ampeloprasum gegen Nährstoffmangel, Kälte, Trockenheit und in alter Natur auch gegen Steppenfeuer behaupten. Fallen nun solche Einflüsse weg, oder werden sie verändert (z.B. durch phosphor- oder stickstoffreichen Kulturboden) wandeln sich manche Wildpflanzen spontan und wurden auf diese Weise zu frühen Formen der Kulturpflanzen. Durch die vom Menschen verursachten Ortsveränderungen kam es dann nicht selten zu Hybridisierungen (fruchtbare Hybriden) mit genetisch eng verwandten Pflanzenarten. Diese fruchtbaren Hybriden wiederum neigen in der Folge stark zu Mutationen. Durch Auslese und bewusste Kreuzungen dieser entstanden dann unsere heutigen Kulturpflanzen, die nebenbei bemerkt weltweit fast alles "Erfindungen der Steinzeitmenschen" sind. Viel hat unsere modere Zivilisation mit ihren Wissenschaftlern und Technikern nicht dazu beigetragen, abgesehen von Veränderungen, die der spekulativen Gewinnmaximierung dienen. Eine Ertrags-Maximierung ist bereits mit dem hier vorgestellten Urzeit-Lauch möglich, was ich bestätigen kann und was mich auch etwas wundert. Hier hat die Forschung tatsächlich wohl etwas vergessen oder übersehen. Allium ampeloprasum mit dem hier vorgestellten Schnitt-Porree und all seinen anderen Kulturvarianten stellt nach meiner Beurteilung eine wichtige Kulturpflanze der Subsistenzwirtschaften dar. Die anpassungsfähige Lauchgruppe könnte helfen, wenigstens zu einem kleinen Teil die Probleme der Nahrungsmittelversorgung in der Welt zu entschärfen.
Angeregt durch diese gartenbau-geschichtlichen Betrachtungen besitzt dieses uralte Universalgemüse nun auch in meinem Garten einen völlig neuen Stellenwert.

Zwischenfazit

Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Forschungen und den daraus resultierenden Betrachtungen angekommen, aber bereits jetzt kann feststellen, dass der hier vorgestellte Schnitt-Porree (und mit ihm die gesamte Lauchgruppe) einige Besonderheiten aufweist. Eine davon ist seine (fast) vergessene Universalität. Und da ich nun im eigenen Versuchsanbau den Schnitt-Porree als geniales Selbstversorger-Gemüse entdeckt habe, beobachte ich natürlich weitere Lauch-Varianten umso genauer. Vermutlich werde ich noch so manche Überraschung erleben, wie beispielsweise diese:
Als besonders wüchsige "Porree"-Lauchvariante habe ich den Elefanten-Knoblauch entdeckt. Dieser zeigt sich im ersten Jahr nach seiner Frühjahrsaussaat nämlich auch nur als ein "Porree" ohne besondere Zwiebelbildung.
Ich habe ihn 2023 in einem ersten Versuch spät [13] im April ins Freiland gesät und im Juli verpflanzt. Das Foto unten (Bild 3) zeigt das Ergebnis im September. Zu dieser Zeit fand ich ihn resistent gegen die Zwiebelfliege.
Der Winter 2023/24 beinhaltete bei uns (am Rande des Elbtals bei Dresden) trotz all der milden, verregneten Wochen auch sehr kalte Perioden. So gab es im Dezember Schnee und dazu einige Tage unter -10°C. Im Januar herrschte wieder eine Woche lang strenger Frost, allerdings ohne Schnee. Abwechselnd mit milden Tagen gab es dann noch einmal Schnee und Nachtfrost. Dieses Auf und Ab der Temperaturen sowie der Niederschlag haben dem Elefanten-Knoblauch wenig ausgemacht. Er steht kräftig grün auf dem Beet, und ich bin gespannt, wie er sich weiter entwickeln wird. Darüber werde ich selbstverständlich an dieser Stelle weiter berichten.
Neben den gartenbaulichen Beobachtungen bin ich zudem bestrebt, die Nutzungseigenschaften eines Gemüses zu Zwecken der eigenen und regionalen Selbstversorgung [14] auszutesten. Dieses bezieht sich sowohl auf Kultur, Ernte und Lagerung als auch die Verwendung in der Küche. Auch dazu wird es weitere Informationen geben.

Thomas Jacob, 20.2.2024

3) Allium ampeloprasum var. holmense nach Aussaat als Porree gezogen.


[1] Hierfür bieten sich als Vorkultur zum Beispiel Frühkartoffeln, früher Brokkoli, Zuckerschoten, Puffbohnen oder ein abgeerntetes Erdbeerbeet an.

[2] Z.B. Der 'Porree von Nouen' erreicht in der Normandie [!] bisweilen die Stärke eines Armes; ihm ähnlich ist der 'Musselburger'. [...]  "Gelber Porree von Poitou" wird mit gleicher Stärke angegeben...
aus: RÜMPLER, Theodor; Illustrierte Gemüse- und Obstgärtnerei (Bearbeitete Auflage); Verlag von Wiegand, Hempel & Parey; Berlin 1879; Seite 215 unten
Bei Rümpler wird zudem die Sorte "dicker, kurzer Porree" benannt, der als Riesensorte beschrieben, aber nicht besonders winterhart gehalten ist. Abschließend heißt es: "Manche halten diese Sorte für eine Spielart der französischen Art Allium ampelprasum." (!)
RÜMPLER hat als Hauptquelle seiner Ausführungen vermutlich folgende genutzt: JÄGER, Hermann ; Der praktische Gemüsegärtner · Zweiter Theil [in einem Buch]; Leipzig 1863; Seite 97ff

[3] Porree-Riesensorten sind beispielsweise 'Elefant' oder 'Herbstriesen'. Alte Riesensorten sind 'Riesenporree von Carentan, 'Dicker Brabanter Riesenporree'; weitere unter [2].

[4] Sommerlauch, vergleich: in Heistinger Andrea / Arche Noah; Das Große Biogarten-Buch; Stuttgart, 2013

[5] Nicht alle Sommer-Sorten bilden lange Schäfte aus. So ist die Sorte 'Prelat (AS)' kurz und gedrungen mit ausgebildeter Zwiebel, was sie vom Habitus her eher als Winter-Sorte erscheinen lässt.
https://web.archive.org/web/20230529212830/
https://www.bingenheimersaatgut.de/de/bio-saatgut/gemuese/porreelauch/prelat-as-g794

[6] Gartenfachbuch Seite 446, Urform des Porree A. ampeloprasum wiederum könnte ursprünglich als Beikraut im Weinbau nach Norden gekommen sein: "Einige Arten haben sich als Kulturfolger auf menschlich beeinflussten Standorten, z. B. als Unkräuter, in Weinbergkulturen ausgebreitet (A. vineale L., A. ampeloprasum L.)."
FRIESEN, Nikolai Friesen; Die Gattung Allium – Taxonomischer Überblick und wissenschaftliche Sammlung im Botanischen Garten der Universität Osnabrück; Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen Band 33/34, S. 95–110, 2008 (als PFD verfügbar); Seite 97 oben
https://core.ac.uk/download/pdf/14521944.pdf

[7] Feuer-Kultur in der Steinzeit. Zu dieser Thematik werde ich noch publizieren. Die erste Form, eine Kulturlandschaft zu formen, war das gezielte abbrennen von steppenartigen Flächen, worauf die Asche der verbrannten Pflanzen (abgestorbene Gräser und Buschwerk) als Dünger fungierte und die Graslandschaft im Ansachluss auf die Branntbewirtschaftung frisch und üppig aufwuchs. Das wiederum lockte grasendes Wild an, welches leicht gejagt werden konnte. Dies alte Technik wirkte bei uns (in abgewandelten Formen) bis in die 1980er Jahre hinein. Publiziert wurde das wenig behandelte Thema zum Beispiel von: PINKERT, Friedrich August; Die vollständige Brenn-Cultur in der Landwirthschaft; Berlin 1861
Allium ampeloprasum (ein Steppengewächs), vermute ich, ist in seinem Biotop ein Profiteur von Bränden und verändert nach einem Branntereignis sein Wuchsverhalten. Vom Menschen beobachtet und genutzt, war der Lauch (und weitere Laucharten) zu Beginn eine Heilpflanze. Mit dem Versetzen der Zwiebeln in die Nähe der Wohnstätten kam es durch stickstoffreiche Standorte zur weiteren Veränderungen in Richtung Kulturpflanze, so meine These.

[8a] "Die Alten unterschieden zwei Arten porrum capitatum und porrum sectivum. Die erste entspricht unserem gewöhnlichen Porree, der wegen seiner Zwiebel ebenso wie jetzt gebaut wurde. Über die zweite Art wissen wir nicht sehr viel; sie wurde mehrmals geschoren. Ähnliches geschieht bei uns auch: man schneidet dem Porree die Blätter dann und wann ab in dem Glauben, dadurch grössere Zwiebeln zu erzielen. So ist aber das Abschneiden bei den Römern und Griechen nicht zu verstehen, sondern sie scheinen die abgeschnittenen Blätter als Gemüse gegessen zu haben." [8b]
Hinweis auf Variante Nr. 1 – um zarten Porree-Salat zu bekommen hat man einerseits den Porree geschoren und die jungen Blätter verwendet.
Variante Nr. 2 kommt zu einem ähnlichen Ziel, jedoch durch Entwicklung von von Lauchstangen, deren innere Blätter durch Lichtentzug gebleicht sind.
[8b] FISCHER-BENZON, Rudolf von.; Altdeutsche Gartenflora (Internet Archive); Untersuchungen über die Nutzpflanzen des deutschen Mittelalters, ihre Wanderung und ihre Vorgeschichte im klassischen Altertum (1894); Kiel und Leipzig, 1894. S. 141 (Porree).

[9] Kurat (Allium ampeloprasum ampeloprasum Kurrat Group). In der Literatur erwähnt, doch im Internet von mir noch nie entdeckt.

[10] Die Germanenstämme besaßen sogar eine Rune (Laukatz), welche die Lauchpflanze symbolisiert.
KRAUSE, Wolfgang; Untersuchungen zu den Runennamen I, Seite 218ff in: Schriften zur Runologie und Sprachwissenschaft; Berlin/Boston 2014

[11] Die Beschreibung der Burgunden als "nach Knoblauch stinkend" stammt aus dem Brief von Sidonius Apollinaris an den Bischof Faustus, den er um 472 n. Chr. geschrieben hat. In diesem Brief beschreibt Sidonius die (arianisch-christlichen) Burgunden und erwähnt ihre "sibaritische" (genussvolle) Lebensweise einschließlich ihrer Vorliebe für Knoblauch. Diese Beschreibung findet sich in Kapitel 9 des Briefes.
siehe auch: http://www.bibliotheca-classica.org/sites/default/files/Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Wenn wir nun vermuten, dass die Burgunder (heutiges Burgund) ihren Hang zum Knoblauch aus dem Mittelmeerraum mitbrachten, weil wir Knoblauch heute mit den mediterranen Ländern verbinden, so ist das ein Irrtum. Zwar sind die Ursprünge der Burgunden vor der Völkerwanderung nicht vollständig und auch nicht ganz klar dokumentiert, aber es wird angenommen, dass sie einen ostgermanischen Stamm darstellten. Historiker vermuten ihr ursprüngliches Gebiet, in dem sie ansässig waren, im heutigen Südschweden oder im südlichen Ostseeraum.

[12] Wenn z.B. die Allemannen überhaupt nichts für Landbau übrig hatten und nur Weidewirtschaft betrieben, so ist aus geschichtlichen Quellen bekannt, dass z.B. die Burgunder, Angelsachsen, Ostgoten, Langobarden und Franken einen hoch entwickelten Gartenbau besaßen. So führte der [arianische] Ostgotenkönig Theoderich der Große (451/56-526) in seinem rings um die Adria gelegenen Reich zusammen mit seinen Töchtern ein eher bäuerliches Leben. "Seine Gärten, die in schönster Pracht rings um seine Wohnungen ausgebreitet lagen, wurden von ihm und seinem Gesinde bebaut."* Oberitalien z.B. wurde von den Langobarden zum "Garten Italiens" gewandelt. Die Angeln und Sachsen wiederum brachten ihre Gartenkultur nach England, die ihnen dort auch eine gewisse wirtschaftliche Stabilität ermöglichte. Im übrigen findet sich in diesen Siedlingsgräumen auch heute noch eine verwilderte (?) Varietät von Allium ampeloprasum und zwar Allium ampeloprasum var. babingtonii, die an den Atlantikküsten Cornwalls und West-Irlands zu finden ist. Sie weist zudem die Besonderheit auf, dass sie Lufzwiebelchen ausbildet, was bei A. ampeloprasum recht selten ist.
* ANDEREGG, H.; Der Gemüsebau im Hausgarten und im freien Felde; Zürich 1880; Seite 11

[13] Porree-Jungpflanzen müssen für den zeitigen Anbau im Gewächshaus bzw. im Freiland relativ spät im Frühjahr aufgezogen werden, da sie bei winterlichen Temperaturen vernalisieren und dann schon im ersten Jahr in den Samen schießen. Merkwürdigerweise sind Temperaturen um +5°C besonderes wirksam. Steigende Temperaturen im Mai (über 18°C) wirken wiederum de-vernalisierend. Quelle [6].
und: https://web.archive.org/web/20230608075753/
https://www.landwirtschaftskammer.de/verbraucher/garten/gartentipp030.htm

[14] Subsistenz- und Selbstversorgungs-Gartenbau, welcher eine regionale Autarkie anstrebt, kann hier mit größter Unabhängigkeit von äußeren Umständen und dem geringsten Arbeitsaufwand den größten Nutzen erzielen. Mit bestimmten Anbautechniken kann das Potential von A. ampeloprasum so genutzt werden, dass niederschlagsreiche Monate (Überwinterungsanbau) genutzt werden, was Ressourcen schonend ist (weniger Bewässerung nötig). Zudem wird im Zuge einer langjährigen Lauchkultur (Fruchfolge inbegriffen) der Boden mit organischem Material angereichert (Humusaufbau). Die Ursache hierfür ist das dichte Wurzelsystem der Ampeloprasum-Varianten, welches nach der Ernte im Boden verbleibt.

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